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Chicago Marathon: Meine Erfahrungen von der Strecke, Anmeldung & Anreise

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Der Chicago-Marathon gehört zu den größten Marathons in den USA und ist Teil der World Marathon Majors Serie. Daher pilgern jedes Jahr zehntausende Läufer nach Chicago, um einen weiteren Stern auf ihrer Six-Stars Medaille zu bekommen. Bei mir war es nach Berlin, London und New York der vierte Marathon bei einem der Majors. Leider steht Chicago immer ein wenig im Schatten, weil in den USA sowohl der absolut legendäre Boston-Marathon und der unschlagbare New York City Marathon stattfinden. Völlig zu unrecht – wie ich Euch in meinem Erfahrungsbericht vom Chicago-Marathon zeigen werde.

1. Startplatz und Anmeldung für den Chicago Marathon
2. Anreise, Flug und Hotel für den Chicago Marathon
3. Marathonmesse und Startunterlagen-Abholung für den Chicago Marathon
4. International Chicago 5k
5. Chicago Marathon. Der Tag. Die Strecke. Das Rennen!
6. Im Ziel des Chicago Marathon
7. Mein Fazit zum Chicago Marathon

Startplatz und Anmeldung für den Chicago Marathon
Wie bei allen großen Marathons, ist der Startplatz die größte Hürde für Läufer. Wie üblich ist der günstigste, aber unwahrscheinlichste Weg zu einem Startplatz, ist die Lotterie. Von Ende Oktober bis Anfang Dezember kann man sich für die Startplatzlotterie registrieren und bekommt dann meist noch im Dezember mitgeteilt, ob man einen Startplatz gewonnen hat. Gewonnen bedeutet in diesem Fall, daß man sich einen Startplatz für $230 Startgebühr kaufen darf.

Die beste, aber unwahrscheinlichste Weg zu einem Startplatz ist die Qualifikation. In diesem Programm werden die schnellsten Läufer für einen Startplatz vorgemerkt, den man sich dann reservieren darf. In meiner Altersklasse reicht dafür offiziell eine 3:20h Finisher-Zeit, die man in einem anderen, zugelassenen Rennen (bitte Liste der Rennen beachten) gelaufen ist. Allerdings gibt es hierfür ein Kontingent an Startplätzen, aus dem jeweils die X schnellsten pro Altersklasse einen Startplatz bekommen. Die Wahrscheinlichkeit, daß also eigentlich doch eine 3:20h nicht ausreicht, ist hoch. In Boston wurden deswegen die Zeiten schon auf 3:15 gesenkt und ich gehe davon aus, daß diese noch auf 3:10 sinkt. Es wollen einfach zu viele schnelle Läufer zu den großen Marathons.

Auch die Möglichkeit eines Charity-Entry ist gegeben, allerdings greift hier der Wahnsinn ebenfalls weiter um sich. Inzwischen werden in London, NY und bei anderen Rennen häufig Spendensummen von bis zu 10.000$ von den Aspiranten zusammengesammelt. So sehr würde ich meinen Freunden, Bekannten und Kollegen nicht auf den S*ck gehen wollen. Also bleibt als teuerste, aber „relativ einfachste“ Option die Buchung über einen Reiseveranstalter. Dafür kann man etwa 2.500€ pro Person rechnen, wenn ein Startplatz enthalten ist. Ohne Startplatz reisen Begleitpersonen dann etwa 500€ günstiger. Den garantierten Startplatz lassen sich die Reiseveranstalter natürlich gut bezahlen, aber viel günstiger ist man auch bei einer Eigenanreise nicht. Aber auch die Plätze bei den Reiseveranstaltern sind begehrt – man sollte also auch dort zügig buchen, sobald die Reisen ins Programm kommen.

Ich persönlich bin bisher immer mit einer großen Portion Glück an die Startplätze gekommen, meist weil ich im richtigen Moment am richtigen Platz war oder ich Infos schnell bekommen habe. So war es auch beim Chicago-Marathon, als sich im Juni plötzlich eine Option ergab und ich natürlich sofort Nägel mit Köpfen machte.

Anreise, Flug und Hotel für den Chicago Marathon
Als Berliner und Hauptstadt von Deutschland tragen wir im Bereich Flugreisen unsere Provinzialität stolz zur Schau. Und so muss man bis auf wenige Ausnahmen bei sämtlichen Interkontinentalflügen auf Direktflüge verzichten. Durch die eigentlich unnötigen Zwischenstopps erhöht sich dann leider die Gesamtreisezeit immer noch zusätzlich.
Und so war ich auf dem Hinweg mehr als 15 Stunden vom Abflug in Berlin bis zur Landung in Chicago unterwegs und zurück ebenfalls 14 Stunden im Flieger und auf Flughäfen. Per Direktflug wäre das in unter zehn Stunden machbar.
Mit knapp 600€ für einen Economy-Flug war ich aber insgesamt ganz zufrieden – wer clever plant schafft es aber auch schon für unter 500€. Als Reisezeitraum hatte ich mir wegen meines angespannten Urlaubsbudgets den Donnerstag bis Sonntag herausgesucht, also Donnerstagmorgen nach Chicago, Sonntags laufen und Abends zurück nach Berlin.

Bei den Hotels ist die Auswahl natürlich gigantisch, wobei sich frühes Buchen auch hier auszahlt. Denn gute Hotels liegen alle bei deutlich über $200 die Nacht und auch bei bei AirBnB sind die Preise sportlich. Der große Vorteil bei Chicago liegt beispielsweise gegenüber New York darin, daß das Stadtzentrom doch relativ kompakt ist und sich fast alles im sogenannten Loop abspielt, einem kleinen U-Bahnkreis. Daher muss man bei der Hotelauswahl eigentlich nur darauf achten, entweder möglichst im Loop oder zumindest nah dran zu sein oder eine gute Bahnanbindung an den Loop zu bekommen, um sowohl Sightseeing, als auch den Marathontag gut hinzubekommen.

Ich buchte mich letztendlich im Hyatt Regency McCormick Place ein, daß etwas südlich vom Loop und dafür nah am Grant Park und dem Museum District liegt. Außerdem ist das Hotel sehr läuferfreundlich, wie ich später noch merken werde.

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Die Anreise selbst lief ziemlich problemlos. Nach der Landung in Chicago erlebte ich zwar die längste Immigration-Schlange aller Zeiten und rechnete schon damit, meinen restlichen Nachmittag an der Passkontrolle zu verbringen. Doch scheinbar gab es nur einen temporären Stopp und so löste sich die Schlange von mehreren hundert Wartenden sehr schnell auf. Hier ist es aber auch immer ein Vorteil, wenn man allein reist – weil man schneller Durchgewunken wird.

Vom Flughafen kommt man sehr gut mit der Blue Line in die Stadt, die direkt in die Loop führt, von der man in alle anderen Linien umsteigen kann. Wer ApplePay hat, kann ohne Fahrschein fahren und einfach an den Schranken zu den Bahnen sein Handy auflegen und fertig. Die Fahrt kostet weniger als $5 – mit dem Taxi bzw. Uber würde man $30-40 zahlen und wahrscheinlich ordentlich im Stau stehen.

Trotzdem hat sich dieser Endspurt bei der Anreise ganz schön in die Länge gezogen. Ich hatte insgeheim gehofft, daß ich trotz meiner Landung um 15:30 Uhr noch einen kleinen Stadtbummel hinbekomme, aber als ich letztlich im Hotel eincheckte, war es schon nach 18:00 Uhr und ich war auch schon ziemlich platt vom langen Reisetag. Also Regel Nummer 1 gegen Jetlag: „Unbedingt wachbleiben!“ und ab zu einer kleinen Shoppingrunde durch die Gegend. Denn ich wollte mich noch mit Kleinigkeiten eindecken für die Nacht. Getränke, Schlaftabletten, Energy-Drinks für den nächsten Tag, um dem Jetlag entgegenzuwirken und natürlich auch noch schnell etwas zu essen. Und so endete mein erster Tag in Chicago mit einer Tüte voll Snacks vom Späti und Fast Food vom Burgerbrater, in einer Suite im Hyatt mit Blick über die abendlich beleuchtete Skyline.

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Marathonmesse und Startunterlagen-Abholung für den Chicago Marathon und den International Chicago 5k
Der Freitagmorgen startete dann gleich mit zwei Überraschungen. Ich hatte richtig gut geschlafen und fühlte mich überraschend fit und die Recherche nach dem Weg zur Marathonmesse endete mit der Erkenntnis, daß es sich beim Gebäude vor meinem Hotelfenster um die Marathonmesse handelte. Also zur Hoteltür raus und 100 Meter weiter zur Messetür wieder rein. Wie geil ist das denn!

Beim McCormick Place handelt es sich um ein gigantisches Veranstaltungszentrum, in dem neben der „The Abbott Health & Fitness Expo“ auch noch eine Immobilienmesse stattfand. Also genug Platz für alle! Gleich hinter den Toren zur Marathonmesse war dann der Abholbereich für den International Chicago 5k, der von den Marathonläufern als kleiner Shake-Out Run und von den Begleitern gern als Marathonalternative gebucht wird. Hier muss man ein wenig aufpassen, denn viele Marathonläufer stellten sich gleich instinktiv an, obwohl die Marathon-Startunterlagen in einem deutlich größeren Bereich links daneben stattfand. Es gab aber viele Helfer deren Aufgabe aus nichts anderem, als der Sortierung der Anstehenden bestand.
Nach maximal 5 Minuten war ich dann auch schon an der Reihe, zeigte meinen Ausweis und die Bestätigungsmail und bekam meine Startnummer mit Landeskennung für den Lauf am Samstag. Das fand ich übrigens sehr charmant, weil man sofort sehen konnte, in welcher Sprache man andere Teilnehmer ansprechen konnte und natürlich war es gerade lustig, den Deutschen ein Moin, Moin! oder „Viel Erfolg“ zuzugrüßen.

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Dann also weiter zu den Startunterlagen für den Marathon, mit dem besten System, daß ich bisher bei all meinen Marathons erlebt habe. Denn man meldete sich zunächst vor dem Ausgabebereich an einem der vielen „Vorsortierschalter“, wo man seine Unterlagen vorzeigte und dann eine Schalternummer zugewiesen bekam. Dann lief man weiter zum entsprechenden Schalter, wo dann auf einem Display schon die persönlichen Daten zur Überprüfung angezeigt wurden und man seine Startunterlagen in einer Papiertüte bekam. Für beide Events zusammen dauerte die komplette Prozedur vielleicht maximal 15 Minuten. Super!

Danach schlenderte ich noch ein wenig über die Messe. Natürlich hatte Nike einen fetten Stand aufgefahren, der auch schon kurz nach Messeöffnung am Freitagmorgen ordentlich überfüllt war. Da ich meine Erinnerungen eher in Form von Erinnerungen, Fotos und Medaillen konserviere und weniger in Merchandise, war ich jetzt sowieso nicht so wahnsinnig verzückt und es gab auch keine Sachen, die besonders herausstachen. Es stand halt auf allem möglichst groß Chicago in allerlei Variationen, aber das Besondere hat irgendwie gefehlt, wie die Handschuhe vom New York Marathon, bei denen auf jedem Finger der Name eines Stadtbezirkes steht, den man während des Marathons durchquert. Überhaupt hatte fast jede Marke „irgendwas mit Chicago“ im Angebot, so wie es das Lizenzrecht eben hergab. Wer also lieber etwas von Brooks, asics, lululemon usw. haben wollte, wurde auch dort fündig.
Spannend fand ich den Stand von abott, wo man sich unter anderem die Medaillen aller Six Majors ansehen konnte und auch den Stand des NRC (Nike Run Club) fand ich toll, weil es dort zusätzliche Startnummern gab, auf denen groß die gewünschte Zielzeit stand. Ich nahm die 3:15 mit und die 3:20, traute mich aber nicht, die Nummer im Rennen zusätzlich zu tragen.

Ganz am Ende der Halle gab es dann auch die Ausgabe der Goodie-Bags, oder besser gesagt der Kleiderbeutel und dort bekam man auch sein offizielles Eventshirt von Nike – ein weiterer Grund, warum ich an den Messeständen nicht weiter geshoppt habe. Nach etwas mehr als einer Stunde endete also mein Messebesuch mit einem gemischten Fazit. Die Organisation war bestens aber die Messe selbst war eher so durchschnittlich attraktiv. Da hat selbst Berlin mehr zu bieten. Also zurück ins Hotel, kurz frisch machen, doppelter Espresso und ab in die Stadt.

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Ich arbeitete mich nordwärts am Aquarium vorbei, zum Grant Park vor, an der Buckingham Fountain vorbei und zum Millenium Park, wo die berühmte „The Bean“ zu finden ist. Danach ging es dann direkt in die Loop, wo ich ein bisschen durch die Shops bummelte und mich unter anderem im Pop-Up Shop von Tracksmith eindeckte und ein wenig im NikeLab stöberte, wo unter der Führung von Virgil Abloh, kreative Workshops und Designkurse stattfanden.

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Als Lehre aus meinen vom Sightseeing und den Morgenläufen ziemlich angeschlagenen Beinen beim New York Marathon, hatte ich mich am Freitag rein auf das spazieren beim Sightseeing beschränkt.

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International Chicago 5k: Bitte keine Bestzeit!
Für den ShakeOut-Run am Samstag hatte ich mich für den offiziellen Pre-Event des Chicago-Marathons entschieden, da es in Chicago leider noch keine offizielle Crew der adidas Runners gibt und somit sonst bei meinen Reisen die erste Wahl war.

Also ging es am Samstag schon früh raus, denn der Start des Rennens war schon um 7:30 Uhr und auch mit der Besonderheit, daß es keine Gepäckabgabeoption gibt. Wenn man also keinen persönlichen Aufbewahrer gibt, muss man clever planen was man anzieht und ggf. während des Rennens umbindet oder in der Hand halten muss. Um kein Risko einzugehen entschied ich mich für das Motto extrawarm, denn 5k ist für Marathonläufer sowieso nur Erwärmung und ich wollte keinesfalls riskieren, mir irgendwas zu verkühlen so kurz vor dem Marathon.

Der Startbereich war super einfach mit der Red Line zu erreichen und ausnahmsweise musste man auch bei den Dixies nur kurz warten. Also blieb noch genügend Zeit, sich die Vorbereitungszeremonie anzusehen, denn die Vertreter der Partnermarathons waren gekommen, um die Teilnehmer in der jeweiligen Ländersprache zu begrüßen. Unter anderem Paula Radcliffe, die den Marathonweltrekord der Frauen seit 16 Jahren hielt und der am nächsten Tag fallen sollte.
Danach rutschten wir näher zusammen im ersten Startblock und lauschten der Nationalhymne – vor dem Start stand ich in Reihe 3, soweit vorn wie noch lange nicht. Also 3,2,1 und los!

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Die Häuserschluchten saugten uns auf und wir flitzten los. 4:15 Pace auf dem Ersten, 4:13 Pace auf dem Zweiten und ich merkte, daß ich die ganze Zeit unmittelbar neben Irinia Mititenko und Paula Radcliffe lief. Was für eine Ehre und was für ein Gefühl. Ich in den Straßen von Chicago, neben solchen Legenden!

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Die Beine wollten noch schneller und der Kopf erst recht, denn die zwei Wochen nach dem Berlin-Marathon war ich nur wenig und wenn, dann nur im Schontempo gelaufen – endlich mal wieder Ballern! Aber da kam dann zum Glück die Vernunft. Denn das Ziel war ja nicht der 5k, sondern der morgige Marathon. Also Tempo raus, zusammenreißen – auch wenn es schwer viel. Den letzten Kilometer habe ich mir dann aber noch einmal gegönnt und bin mit 3:37er Pace dem Ziel entgegen.
22:11 min auf 5km, Platz 182 von 3.157 der Männer – langsamer ging nicht!

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Im Ziel gab es dann eine schöne große Medaille, für die es sich schon gelohnt hat, den 5k mitzulaufen. Und als Goodie gibt es für jeden Teilnehmer eine Bommelmütze mit 5k-Design. Das war echt ein tolles Bild, nach dem Lauf tausende von Finishern mit den hellblauen Mützen in der Stadt zu sehen. Am Start hatte ich schon Susi und Alexandra getroffen und im Ziel gab es nun auch ein Wiedersehen mit Lars, mit dem ich schon bei vielen Laufevents unterwegs war.

Aber trotz des Adrenalinkicks schnell wieder den Fokus auf den Marathon. Ab zurück ins Warme, rein in die Red Line, unter die Dusche und den restlichen Tag planen. Dadurch das das Rennen so kurz war und so früh startete, war ich schon um 9 Uhr wieder im Hotel. Ein sehr merkwürdiges Gefühl!

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Den restlichen Tag verbrachte ich mit Sightseeing und klapperte den Chicago River Walk und das Navy Pier ab, um einmal den Ausblick vom Riesenrad zu genießen. Auf eine Bustour oder Schiffstour hatte ich dann aber doch keine Lust mehr und beschloss, doch lieber meine Beine noch ein wenig im Hotel auszuruhen, denn der Marathontag sollte superfrüh starten und meine martialischen Freunde, Blackroll & Co., warteten schon auf mich.

Außerdem war ich ehrlich gesagt noch etwas unklar was meine Klamottenwahl für den nächsten Tag betraf und legte daher zwei Optionen bereit, um im Startbereich die finale Auswahl treffen zu können. Die vielen kleinen Handgriffe auch alles für den nächsten Tag bereitzulegen, vom Pflaster bis zum Gel, dauert doch länger als man denkt. Aber wenn man alles idiotensicher vorbereitet, kann man erstens entspannter schlafen und zweitens selbst in der Morgenverpeiltheit sicherstellen, daß man nichts vergisst. Wer einmal ohne abgeklebte Brust oder ohne Gels im Startbereich stand, lernt dazu. Aber jetzt Licht aus, Augen zu!

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Chicago Marathon. Der Tag. Die Strecke. Das Rennen!
Lange hatte ich vorwärts und auch wieder rückwärts gerechnet, wann ich denn nun aufstehen und wann losgehen sollte. Rennstart war um 7:30 Uhr, die Startblöcke schließen um 7:20 Uhr – empfohlene Ankunftszeit war 5:30 Uhr. Fast 2 Stunden im Startbereich vor dem Rennen? Das kam mir doch etwas üppig vor und ich beschloss meine Planung auf 60min + X herunterzukürzen.

Das Hyatt bot auch einen Shuttle-Service an und als ich am Morgen das Hotel verliess, fuhr auch schon ein Bus nach dem anderen in Richtung Marathon. Ich wollte aber die Straßen meiden, denn bekanntlich lieben Amerikaner ihre Autos und ich hatte keine Lust irgendwo in einem Stau steckenzubleiben. Also ab zur Red Line, wo ich dann mit einer Crew aus Thailand, Canada, USA, Großbritannien und Singapur zum Start fuhr. Und genau das liebe ich so bei den großen Marathons. Man sieht einfach, wie die Menschen in der Laufcommunity zusammenhalten und diese eine große Laufliebe teilen. Also wünschten wir uns gegenseitig Glück und verteilten uns um kurz nach sechs, noch komplett im Dunkeln in unsere Startbereiche.

Nach einem kurzen Security-Check ging es in die Startzone, wo ich mich entschied gleich erstmal die Gelegenheit an der kurzen Dixie-Schlange zu nutzen. Kurze Zeit später ging es dann weiter um den Springbrunnen herum in den Kleiderbereich, wo ich mich dann auf eine Bank setzte, um Zeit zu überbrücken und damit mit einem Briten und einem Japaner ins Gespräch kam. Die Sonne ging nun langsam auf und es wurde rosa am Horizont. Genug Zeit, um sich über andere Rennen, Bestzeiten und die Kleiderfrage zu unterhalten. Es ist in Chicago einfach mal so optimal organisiert, daß ich immer noch locker 30 Minuten hatte, bevor ich mich aus meinen warmen Anreiseklamotten pellte und in die Rennklamotten wechselte. Kurze 2-in-1 Hose, Singlet, Halstuch, Weg-Werfmütze und Armstulpen sollten es werden. Die Lego-Ninjago Mütze hatte ich am Tag davor für 1$ in der Kinderabteilung gekauft, weil dort Mützen immer günstiger sind, als bei den Herren und ich sie sowieso kurz nach dem Start wegwerfen wollte, wenn es dann wärmer werden würde. Denn mit 4 Grad, war es immer noch ordentlich frisch. Dank des fast überschwappenden Adrenalins fühlte es sich aber nicht so an.

Also Beutel weg, schnell nochmal Dixie und ab zum Startblock. Leider merkte ich erst jetzt, daß die Dixies bei der Kleiderabgabe, die kaum eine Schlange hatten, Umkleidedixies waren. Sieht von außen genauso aus, man kann aber unterschiedliche Dinge darin erledigen. Wer im Dunkeln lesen kann, ist klar im Vorteil.
Die Dixies die unmittelbar vor dem Startblock aufgebaut waren, waren natürlich entsprechend beliebt, und nach einigem Zögern stellte ich mich doch an. 10 Minuten bis zur Schließung des Startblocks. Zum Glück beeilten sich alle und ich schaffte es tatsächlich noch rechtzeitig in letzter Minute in den Startblock. Zehn Minuten bis zum Start!

Wie üblich wurde noch etwas Musik gespielt und die Eliteläufer wurden unter großem Applaus vorgestellt – natürlich durfte auch die Nationalhymne nicht fehlen. Dann wurden die Sekunden bis zum Start durchgesagt. Das Letzte was ich gehört habe, war aber die Durchsage der 15 Sekunden bis zum Start. Dann ging es einfach irgendwie los. Kein gemeinsames Herunterzählen, kein Knall – wir liefen einfach los. Irgendwie merkwürdig.

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Der Kurs des Chicago-Marathon gilt als superschnell und Berlin und Chicago streiten sich quasi ein wenig, wer den nun den flacheren, schnelleren Kurs hätte. Laut meiner Polar Vantage, habe ich bei beiden Läufen knapp 150m Höhenunterschied zurückgelegt, also zweimal aalglatt. Der Unterschied beim Chicago-Marathon ist allerdings, daß es kein Rundkurs ist, sondern daß man sehr viel lange Geraden läuft, dann die Richtung wechselt und teilweise nur einen oder zwei Blocks weiter wieder in die andere Richtung zurück läuft.
Ansonsten läuft man sehr viel auf erstklassigen und breiten Straßen und hat kaum Probleme voranzukommen.

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Die Stimmung ist auch in Chicago unglaublich und reicht sehr nah an New York heran, und verdrängt damit Berlin auf Platz drei. Denn während die Berliner oft ein wenig verkrampft am Straßenrand stehen und „leise klatschen“, gehen die Amerikaner einfach richtig aus sich heraus und machen richtig Alarm.

Und auch die Verpflegung ist das krasseste, was ich jemals erlebt habe. Die Getränkestellen sind gefühlt hundert Meter lang oder sogar noch länger. Selbst wenn die hinteren, volleren Startblöcke kommen ist hier soviel Platz, daß jeder sofort etwas bekommt und sich niemand gegenseitig im Weg steht. Und auch die Abstände zwischen den Verpflegungsstellen sind krass. Man ist kaum aus einer Station heraus, schon kommt die nächste. Dafür ein ganz großes Lob. Es ist fast schon übertrieben, aber so kann man sein Trinkverhalten wirklich komplett an die eigenen Wünsche anpassen und muss nicht trinken, weil es ja noch dauert, bis die nächste Station kommt.

Für mich war es eine riskante Rennstrategie beim Chicago-Marathon. Ich hatte eine neue persönliche Bestzeit aus Berlin in der Tasche, war also einerseits gut trainiert und hatte andererseits nichts zu verlieren. Denn das Minimalziel, daß es zu erreichen galt, war das Finish und die Medaille, damit ich meinen vierten Stern für die Six Majors bekomme.

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Also entschloss ich mich, einfach auf der Pace meiner Wunschzeit zu laufen, wohl wissen, daß ich damit nicht durchgängig ins Ziel laufen würde. Es war also nicht die Frage, ob eine Phase des Leidens kommen würde, sondern nur, wie weit diese Phase vom Ziel entfernt sein würde. Also lief ich los und heftete mich an den schnellen Startblock vor mir. Mit 4:30er Pace ging es durch den ersten Tunnel und es lief locker und dynamisch und das Wetter war ideal. Und so passierte ich dann auch bei 01:35:24h die Halbmarathonmarke, merkte dann aber in den nächsten Kilometern, daß ich die Gruppe vor mir abreissen lassen musste. Also etwas ruhiger weiter bis zum Kilometer 26. Dort versuchte ich ein Gel aus meiner Tasche zu befreien, daß sich dort irgendwie verhakt hatte. Es wollte sich einfach nicht bewegen und ich hatte keine Lust, die Soße in meiner Hose zu haben. Also blieb ich stehen und zuppelte, zerrte, zottelte und merkte dabei garnicht, wie die Zeit verlief – ein klares Zeichen, daß ich schon voll im Tunnel war. Irgendwann hatte ich es dann befreit und kann mich jetzt rückblickend über meine 6:20er Pace auf Kilometer 26 aufregen, denn so wichtig war dieses Gel nun auch wieder nicht.
Nach diesem kleinen Durchatmen war ich natürlich auch wieder etwas frischer, merkte aber die schwindenden Kräfte. Also entschied ich mich auf meine in Berlin erprobte Pace von 4:45 zurückzuschalten und kämpfte mich bis Kilometer 34 vor – im Wissen, daß der 3:15h Pacemaker ja noch hinter mir lief. Ich hatte also noch immer einen großen Zeitpuffer auf meine Bestzeit, aber er schmolz. Aber dann war es soweit. Der 3:15er Pacemaker und seine Meute holten von hinten auf. Meine absolute Traumzeit, da war sie. Irgendwie zum greifen nah, aber trotzdem noch so weit entfernt.
Ich versuchte mich einzuklinken, aber merkte schnell, daß ich dieses Tempo jetzt nicht mehr mitgehen konnte und musste sie ziehen lassen. Obwohl ich immer noch auf Bestzeitkurs war schlug dieses Gefühl, von der Traumzeit-Gruppe überholt zu werden, ziemlich auf die Motivation und auf die Fähigkeit, sich maximal zu quälen. Ich biss mich weiter durch, mal mit einem 4:45er Kilometer, mal wieder fast bei 5er Pace, aber die Fähigkeit wirklich das letzte aus mir Herauszupressen war nicht mehr da. Sie war mit dem 3.15er-Pacemaker doch zu stark beschädigt worden. Ich wollte irgendwie nur noch ins Ziel und so viel wie möglich vom verbliebenen Bestzeitpuffer mitnehmen.
Also Gehirn aus, Rückwärts zählen und ab zum letzten Kilometer oder besser gesagt, der letzten Meile. Leider hatten sich meine GPS-Daten und die Streckenschilder irgendwann im Verlauf des Rennens voneinander verabschiedet, aber ich wusste zum Glück inzwischen, daß meine Uhr ein paar Kilometer vorraus war. Dann war es aber soweit, ich sah am Ende einer ewig langen Geraden einen Torbogen. Sollte das das Ziel sein?
Nein, es war ein Tor vor einer Kurve, wo es noch einmal über eine Brücke leicht hinauf ging! Ehrlich mal, liebe Streckenentwickler – was findet Ihr so lustig daran, auf dem letzten Kilometer noch mal einen Anstieg einzubauen? Das ist reiner Zucker für den inneren Schweinehund!
Aber egal 1.000 Meter und dann fertig, stehenbleiben, ausruhen, geschafft!

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Bei 3:18:58h überquere ich die Ziellinie in Chicago und erst jetzt realisiere ich, was passiert ist. Viel zu sehr war ich noch immer mit dem 3:15er Pacemaker beschäftigt gewesen. Dabei hatte ich doch gerade meinen vierten Stern geholt und meine Bestzeit aus Berlin noch einmal deutlich verbessert!
Die Emotionen waren seit langem nicht mehr so stark, wie hinter dieser Ziellinie. Es flossen sogar einige Freudentränen und ich begann kurz zu philosophieren warum das so war. Denn in Berlin, wo ich eine drei Jahre bestehende Bestzeit mit mehr als 5 Minuten unterbot, hätte es viel mehr Anlass dazu gegeben. Wahrscheinlich ist es aber so, daß der emotionale Lohn um so größer ist, um so größer die Anstrengung und der innere Kampf ist. Und meine letzten 8 Kilometer waren wirklich gemein.

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Im Ziel des Chicago Marathons
Aber weiter ging es langsam laufend, ab zur Medaille. Erst jetzt merkte ich, daß ich meine $1-Mütze vom Start immer noch trug und auch das Halstuch noch umhatte. Zum Glück gab es genügend Fotografen, die während man meiner in Richtung Zielbereich schlenderte, Bilder machten – mit und ohne Mütze.
An der nächsten Station bekam ich dann eine Folie umgelegt, um nicht auszukühlen und wieder ein paar Meter weiter wartete eine Armee von Helfern mit Klebebändern, um die Folien zuzukleben, sodass man das Finisher-Bier greifen konnte, was es wenige Meter weiter gab. Eine Halbliter-Dose, echtes Bier, in Amerika – ganz ohne Papiertüte, Riesendisclaimer und anderem Quatsch. Verrückte Welt!

Noch ein paar Meter weiter und man bekam auch einen Verpflegungsbeutel mit ein paar Snacks und Getränken gereicht, womit es dann ab zum Kleiderwechsel ging. Schnell rein in die warmen Sachen und entspannen.
Die Sonne war inzwischen richtig stark geworden und strahlte genauso von oben, wie ich innerlich strahlte. Was für ein versöhnliches Ende!

Ich stromerte noch ein wenig auf dem Gelände herum, bevor es zurück zum Hotel ging. Auch für den Rücktransport hatte das Hyatt Shuttlebusse angekündigt, aber ich war einfach zu müde, mir das jetzt noch herauszusuchen. Also nahm ich die bewährte Red Line und kreuzte noch zwei mal die Marathonstrecke. Das ich so nah am Hotel durch Chinatown gelaufen war, hatte ich während des Rennens garnicht bemerkt. Aber das ist wohl besser so!
Jedenfalls nutzte ich die Chance noch ein wenig an der Strecke mitzufeiern und die anderen Läufer anzufeuern. Mittendrin in der Crowd war die Stimmung fast noch besser als auf der Strecke!

im Hotel begrüßte schon eine riesige Leuchtanzeige mit Congratulations, Marathoners!
Das Hyatt hatte netter Weise auch für einen Late Check-Out gesorgt und so hatte ich bis 14:00 Uhr Zeit mich wieder in den Originalzustand zu versetzen und meine Koffer zu packen.
Als ich dann mit etwas Verzögerung um 14:30 Uhr auscheckte, war das auch kein Problem – daher kann ich das Hyatt Regency McCormick Place echt empfehlen (…und nein, ich habe keine Vergünstigungen bekommen, damit ich das Schreibe).
Nach dem Ausschecken chillte ich noch ein wenig im Cafe des Hotels und arbeitete am Kalorienausgleich. Mac and Cheese, Kuchen und einen riesiger Kakao mit Espresso sorgten für eine Basis, bevor es weiter zum Flughafen ging und weiter in Richtung Heimat.

Wie auch schon in New York, wimmelte es in der Blue Line zum Flughafen und selbst noch am Gate von anderen Läufern, die stolz ihre Medaillen präsentierten. Mir konnte man wahrscheinlich am Gang ansehen, daß ich auch gelaufen war, denn nach jedem Sitzen musste ich meine Waden erst wieder kurz weichlaufen. Selten habe ich mich so auf einen Flug gefreut, denn endlich durfte ich sitzen, neun Stunden am Stück und Schlafen! Tschüss, Chicago und danke für alles!

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Mein Fazit zum Chicago Marathon
Ein wenig kann einem Chicago und der Chicago-Marathon schon leid tun, da er von New York und Boston so überschattet wird. Dabei ist die Stadt bezaubernd schön und gerade im Vergleich mit den beiden anderen, großen US-Marathons, ist Chicago eine wahnsinnig schnelle Strecke. Wer wenig Wind erwischt oder eine gute Windschattenposition im Feld findet, kann definitiv Bestzeiten in Chicago laufen.
Auch wenn sich architektonisch gesehen, Chicago nicht viel von anderen Skyscraper-Metropolen unterscheidet, gefiel mir doch das komprimierte sehr gut. Den Loop abzuklappern, die Parks und das Navy Pier, schafft man auch super zu Fuß, ohne sich die Beine vor dem Marathon komplett zu ruinieren. Und auch die kleine, offizielle Testrund beim 5k finde ich sehr hilfreich, um am Tag davor einen ersten Eindruck von den Laufbedinungen zu bekommen und auch zu sehen, wie sich andere Läufer auf die Bedingungen einstellen.
Am besten hat mir aber die Stimmung gefallen, denn der Support, der vom Straßenrand kommt, ist wirklich unglaublich! Daher kann ich Chicago auch unabhängig von der Six Majors Serie absolut empfehlen.

Bist Du schon in Chicago gelaufen und hast noch spannende Erlebnisse oder Tipps oder planst Du in Chicago zu laufen und hast noch Fragen? Ich freue mich über Deine Kommentare!

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2 Kommentare

  • Benutzerbild von Dietmar Höhne
    Antworten Dietmar Höhne 17. Februar 2020 um 10:45

    Ein wirklich toller Bericht über den Chi. Werde in diesem Jahr auch meinen dritten Stern in Angriff nehmen. Danke für die guten Erfahrungen.

    • Benutzerbild von Daniel
      Antworten Daniel 17. Februar 2020 um 10:48

      Danke, Dietmar. Chicago war wirklich eine schöne Überraschung. Schöne Stadt, toller Lauf. Ich drücke Dir die Daumen!

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