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Gesund Abnehmen, gesunde Ernährung – Das verlorene Wissen

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Fotos: flickr/_pek_

In einem Blog über gesund Abnehmen und gesunde Ernährung muss natürlich auch die Frage gestellt werden, wie es so weit kommen konnte, dass niemand mehr weiß, was gesunde Ernährung eigentlich ist. Sogar Experten streiten sich erbittert über diese Frage. Der Markt wird mit Studien und Ratgebern überschwemmt, es scheint, als würde der Druchschnittsmensch ohne den Rat eines Ernährungsexperten keinen Bissen mehr zum Mund führen dürfen. Die Frage der Ernährung hat mittlerweile den Status einer Religion erreicht, mit Gläubigen, Priestern und den obligatorischen Fanatikern. Dabei war doch alles einmal so einfach. Wie konnte es so weit kommen? Noch erstaunlicher ist die Tatsache, dass Menschen zwar viele Ratgeber lesen, aber über das worum es geht, das Essen, erstaunlich wenig wissen. Fest steht, dass wir täglich Nahrungsmittel zu uns nehmen, von denen wir nicht genau wissen, woher sie stammen, wie sie verarbeitet wurden, wie sie konserviert werden und welche nicht-organischen Stoffe hinzugefügt wurden. Über diese Fragen und die Konsequenzen daraus machen sich nicht einmal Experten Gedanken.

Die Fakten sprechen für sich
Die WHO spricht von einer epidemieartigen Zunahme gefährlichen Übergewichts. Während eine Milliarde Menschen auf der Welt hungern, zwei weitere Milliarden vom Hunger bedroht sind, sind eine Milliarde Menschen gefährlich übergewichtig, im Sinne dass sie so viel wiegen, dass es für ihre Gesundheit schwere Konsequenzen, bis hin zur Lebensbedrohung hat.
Einer der Gründe dafür ist Vereinheitlichung der Essensgewohnheiten nach Vorbild der Industriestaaten, allen voran der USA. Zu viel Fleisch, zu viel Weißmehl, zu viel Zucker – die McDonaldisierung schreitet unaufhaltsam voran. Auch das steht im direkten Zusammenhang mit Übergewicht, wie Studien bewiesen.
Immer weniger Menschen in Industrienationen verstehen sich auf die Zubereitung von Speisen. Sie können nicht kochen. Das Essen zu machen bedeutet für sie etwas aufzuwärmen oder in den Ofen zu schieben, was schon fertig zubereitet und gewürzt geliefert wird. Diese Tatsache steht ebenfalls in direktem Zusammenhang mit oben genannten Zahlen.
Noch weniger Menschen wissen, was sich in dem, was sie essen, eigentlich befindet. Zwar finden redliche Bemühungen statt, schon in Kindergarten und Schule „Gesunde Ernährung“ auf den Lehrplan zu schreiben, diese Kurse antworten aber in den seltensten Fällen auf die Frage: Aus welchem Land stammen meine Nahrungsmittel? Wie wurden sie gezogen, gezüchtet, gefüttert, geerntet? Wie wurden sie vor Schädlingen geschützt? Befinden sich in meiner Nahrungskette genetisch veränderte Organismen? Wie wirken sich die Futtermittel auf die Tiere aus, deren Fleisch ich esse, und deren Milch ich trinke? Wie wurden die Rohstoffe verarbeitet? Welche Maschinen werden dafür verwendet, wie werden diese gereinigt? Was bedeuten die chemischen Bezeichnugnen auf dem Etikett? Welche Auswirkungen haben diese Stoffe auf meinen Körper? Diese Fragen als lästig oder irrelevant abzutun, kommt eigentlich dem blinden Tasten in einem Schlangennest gleich.

Selig sind die Unwissenden?
Gammelfleischskandale, Salmonellen in Eiernudeln – das ist nur die Spitze des Eisbergs. Wussten Sie, dass Käfigeier sehr viel mehr Salmonellen und Colibakterien enthalten, als die Freilandvariante? Die Fütterung mit Antibiotika zerstört die Darmflora der Hühner, und damit die natürliche Barriere für diese schädlichen Erreger, die zwischen dem Darm und den Eileitern des Huhnes liegt. Die Reinigung der Eier vor dem Verkauf tut ihr übriges: sie zerstört den natürlichen Schutzfilm über dem Ei. Im Umkreis von 4 Kilometern um eine große Käfighuhnfarm darf nicht gebaut werden, da Luft und Boden verseucht sind. Dies ist keine Urbane Horrorgeschichte, sondern Bestandteil des Lehrplanes eines Veterinärmediziners. Sie mögen zwar auf den Kauf von Käfigeiern verzichten, aber die überwiegende Mehrheit der Fertiggerichte und alle Eiernudeln enthält genau diese Eier. Die Eier, die Mittags in ihrer Kantine serviert werden, sind Käfigeier.
Eier aus Bodenhaltung sind übrigens keine Alternative, sondern die schlimmere Variante, weil nun keine schützenden Drähte um die Hühner sind, so dass Aggression und Verletzungen an der Tagesordnung sind, mit der Konsequenz, das mehr Antibiotika gefüttert werden müssen. Was Antibiotika angeht: es gibt eine Positivliste von Präparaten, die als Vorsorge gefüttert werden dürfen. Diese sind offiziell keine Antibiotika im Sinne von Medikamenten, sondern so genannte Leistungsförderer. Wie wirken sich diese Stoffe auf den menschlichen Körper aus? Können sie in Ihrem Blut nachgewiesen werden? Studien darüber gibt es nicht.

Änderung der Lebensmittel-Produktion und des Essverhaltens
Noch vor hundert Jahren wussten die meisten von uns ganz genau, woher das kam, was man so aß. Schließlich wurden die meisten konsumierten Lebensmittel selbst gezogen und hergestellt. Und auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg war es durchaus üblich, einen Gemüsegarten zu pflegen, und nicht wenige Familien hatten ein Schwein oder Kleintiere wie Kaninchen, die für das Fleisch auf dem Tisch sorgten. Erst nach und nach hielt die Massenproduktion in der Tierhaltung und in der Lebensmittelherstellung Einzug. Damit geschah es aber auch zum ersten Mal, das ein Konsument nicht mehr direkt wusste, was er genau da auf den Tisch bekam. Der Prozess der Produktion wurde völlig von dem Verbrauch der Lebensmittel abgetrennt.
Während die Nahrungsmittelproduktion immer unübersichtlicher wurde, hielten die Massenmedien in den Haushalten Einzug, und mit ihnen die Werbungsindustrie, die alles daran setzte, den Verbrauchern aus der Ober- und Mittelschicht neue Arten des Einkaufs, des Kochens und damit auch des Essens nahezubringen. Es dauerte einige Jahrzehnte, bis die neuen Produkte völlig akzeptiert und ein neues Denken und vermeintliches Wissen bezüglich Ernährung bei den kritischen Hausfrauen entstanden war. Was lange Zeit ein sehr geschätztes Wissen gewesen war, das traditionell und sorgfältig von Mutter zu Tochter weitergegeben wurde, nämlich das Wissen um Verarbeitung und Konservierung frischer Gemüse, Mehl und Früchten, wurde nun abgelehnt und als irrelevant abgetan, gipfelnd darin, das nicht wenige Frauen heute sehr stolz darauf sind, nicht kochen zu können und das als Zeichen ihrer Befreiung und Emanzipation ansehen. Die sie gleichzeitig oft betreffende Hysterie bezüglich schlanker Linie und dem rastlosen Suchen nach der jung haltenden Ernährung sind geradezu ein Kabarettstückchen der Psyche. Während solche Unfähigkeit früher mit spöttischen Bemerkungen kommentiert wurden, so wurde sie mit der Zeit Zeichen eines höheren und begehrenswerten Status. Statt des Wissens um die Küche wurde nun die Kenntnis von Markenprodukten entscheidend für die moderne Hausfrau. Dabei ist es ein Mythos, dass Kochen viel Zeit in Anspruch nimmt. Und außerdem sollte die Herstellung vollwertigen Essens im Sinne der eigenen und der Gesundheit der Familie ein Zeitopfer wert sein. 164 Minuten verbringt ein Deutscher täglich vor dem Fernseher. Im Durchschnitt.

Die Historikerin und Schriftstellerin Ann Vileisis und der Foodwatch-Gründer und Ex-Greenpeace Vorstand Thilo Bode haben die Konsequenzen dieser Veränderung und dieses Verhaltens in ihren Büchern: „Kitchen Literacy“ und „Abgespeist“ genau beschrieben. Die Nahrungsmittelindustrie hat die tägliche Aufgabe übernommen, Familien zu ernähren, und behält sich das Wissen um Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln vor. Es scheint ein stillschweigendes Abkommen des Unwissens und Wegsehens zwischen den Verbrauchern und der zunehmend mächtigen Lebensmittelindustrie zu herrschen. Gipfeln tut dies in dramatischen Konsequenzen: der Konzern Monsanto, ein Lebensmittel- und Landwirtschaftsriese, meldet Patente auf Saatgut an. Soja, Raps, Mais – genetisch veränderte Öle und Samen aus der Feder von Monsanto prägen die landwirtschaftliche Landschaft weltweit. Da auch Verunreinigungen unters Patentrecht fallen, müssen Landwirte Lizenzrechte an den Konzern bezahlen, die das Saatgut gar nicht angepflanzt haben. Wer jetzt denkt: das ist woanders, was geht mich das an, darf nicht vergessen, dass in diesem Augenblick Lobbyisten an Schaltzentren in der EU und in der Regierung der Bundesrepublik sitzen, und unablässig daran arbeiten, Gensoja, Genmais und Genraps auch hier zum Standard zu machen. Monsanto ist damit auf dem besten Weg, die Produktion der wichtigsten Pflanzen für die Lebensmittelgewinnung (Maisstärke findet sich in fast jedem Fertiggericht) auf der ganzen Welt zu kontrollieren. Welche endgültigen Auswirkungen genetisch veränderte Nahrungsmittel auf den menschlichen und tierischen Organismus haben ist nicht bekannt, Studien dazu werden systematisch unterdrückt oder gar nicht erst gemacht.

Konsequenzen
Die Industrialisierung der Lebensmittelherstellung hatte dramatische Konsequenzen auf die Umwelt und die Landschaft. Flurbereinigung und Massentierhaltung sind dabei nur zwei Stichworte. Auch die Struktur ruraler Siedlungsgebiete hat sich nachhaltig verändert. Dazu kommt der Sparzwang in jeder Industrie, einschließlich der Lebensmittelindustrie, seit die Gewinnmaximierung, die als „unvermeidliche Globalisierung“ verkauft wird, als einziges Ziel der Marktwirtschaft gilt. Qualität und Wert von Nahrungsmitteln werden dadurch nicht eben besser, was sich letztendlich auf die Gesundheit der Verbraucher auswirkt. In mehrfacher Hinsicht. Das Wasser, das wir trinken, die Luft, die wir atmen – all das wird auch durch die Art der betriebenen Landwirtschaft beeinflußt.

Es ist an der Zeit, sich das Wissen ums Essen zurückzuholen und als Verbraucher konsequente Entscheidungen gegen ungesunde, hoch verarbeitete Nahrung zu treffen. Nicht nur im Sinne der schlanken Linie, sondern auch weil diese Entscheidungen einen Einfluss auf unsere Gesundheit, auf unsere Landschaft, auf die Landwirtschaft und auf unsere Umwelt haben.

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2 Kommentare

  • Benutzerbild von Tina
    Antworten Tina 9. Juli 2017 um 14:29

    Hallo Nina,
    klasse Artikel, zu dem du meine vollste Zustimmung hast. Leider ist das Verständnis, was Nahrung eigentlich sein sollte, erschreckend gering, aber ich bin zuversichtlich, weil ich auch mitbekomme, wie es auf der anderen Seite wieder stetig wächst. Menschen fangen an, sich Gedanken zu machen und vor allem zu spüren, dass es ihnen so nicht gut geht. Für mich ist klar, möglichst komplett natürlich und frisch. Liebe Grüße!

    • Benutzerbild von Daniel
      Antworten Daniel 9. Juli 2017 um 15:04

      Hallo Tina, vielen Dank für das nette Feedback!

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