Venloop und Venlo. Für mich als Berliner Großstadtmensch waren das für lange Zeit zwei unbedeutende Begriffe – Orte und Anlässe irgendwo im Nirgendwo. Da wo Hase und Igel sich gute Nacht sagen. Aber ein mysteriöses Geheimnis überspannte Beides, denn in mehreren Laufgruppen, in denen ich aktiv bin, brach jedes Jahr regelmäßig der komplette Wahnsinn aus. Und zwar dann, wenn die Anmeldung für den Venloop startete und kurze Zeit später alle Startplätze vergriffen waren.
Waren es die günstigen Shoppingmöglichkeiten, die Coffeeshops oder warum geriet die Laufwelt aus den Fugen, wenn im kleinen 100.000 Einwohner-Örtchen kurz hinter der deutschen Grenze gelaufen wird?
Ich beschloss also, dieser Massenverzückung auf den Grund zu gehen und hatte mich für den Venloop Halbmarathon angemeldet. Es hätte auch 10km als Distanz gegeben, aber wenn ich schon 600 Kilometer fahre, um laufen zu gehen, dann nehme ich doch den ganzen Spaß mit und nicht nur den halben Halben.
Damit sich die lange Reise lohnt, habe ich meinen Trip gleich noch mit einem Abstecher nach Amsterdam verbunden und konnte meine Liebste damit auch gleich mit in meinen großartigen Wochenendplan mit einbeziehen. Also machten wir uns an einem Freitag auf den Weg nach Amsterdam und bezahlten den späten Start in Berlin mit viel Verkehr und einem heftigen Stau vor der Stadtgrenze Amsterdams. Außerdem hatten sich die Autobahnregelregulierer überlegt, fast die gesamte Strecke ein unrhytmisches Tempobingo unterhalb von 130km/h zu spielen. Trotzdem sind wir nach 7 Stunden tatsächlich angekommen und hatten mit dem JAZ Amsterdam auch ein schickes Designhotel mit perfekter Bahnanbindung in die Innenstadt und einem beeindruckenden Blick über die Stadt erwischt, der übrigens auch aus dem Sportraum und der Sauna auf unserer Etage zu genießen war.
Den Freitag Abend und den Samstag nutzten wir für Sightseeing und eroberten zu Fuß die Stadt. Wenn Ihr noch tolle Tipps braucht, die abseits der Reiseführerhighlights liegen, schreibt mir einfach bei Facebook, Instagram oder hier mit einem Kommentar. Da wir am Freitag nach der langen Reise zu müde waren, stürzten wir uns am Samstag Abend ins Nachtleben und verkosteten lokale Bierspezialitäten – wer hätte gedacht, daß die Holländer auch etwas besseres als Heineken zustande bekommen. Es wurde also ziemlich spät und der nächste Morgen fühlte sich nach etwa 30 Kilometer Fußmarsch durch Amsterdam und der Gerstensaftkur nicht optimal für einen Halbmarathon an – aber hey! – alles hat einen Preis.
Das schöne beim Venloop ist, daß der Lauf erst um 14.00 Uhr startet, so daß man genügend Zeit hat, in die Gänge zu kommen oder auch erst am Renntag anreisen kann. Wir machten uns gegen 11 Uhr aus Amsterdam auf den Weg und kamen um 13 Uhr in Venlo an. Das tolle beim Venloop ist übrigens, daß man die Startunterlagen schon vorher per Post bekommt und damit der ganze Marathonmesse-Unterlagen-Stress entfällt. In Venlo war auch gleich alles bestens von der Autobahnabfahrt an ausgeschildert und wir landeten problemlos auf einem großen Parkplatz. Da ich ja in Begleitung unterwegs war, habe ich mich gleich dort für das Rennen umgezogen und nicht die Gepäckabgabe im Startbereich genutzt. Frisch herausgeputzt und einigermaßen den Vorabend vergessend ging es dann mit dem offiziellen Venloop-Bus weiter zum Startbereich. Nach etwa 10 Minuten waren wir dort angekommen und nun merkte man auch zum ersten Mal, daß sich für dieses Laufevent mehr als 20.000 Läufer in Venlo einfinden. Bei 100.000 Einwohnern eine echte Läuferüberflutung, aber alles war wunderbar organisiert – und als Läufer kennt man ja die Schlangen an den Toiletten kurz vor Rennbeginn und ist darauf eingestellt. Also rein in den Startblock, ein letztes Durchschnaufen und los!
Ich stand wie immer relativ weit vorne und hatte ja mit einer Zeit, ohne die Amsterdam-Bremse geplant – so um die 1:35h. Die Startdisziplin beim Venloop war relativ gut, obwohl man für Bestzeiten wirklich weit nach vorn in den Block gehen sollte, um die teils schmalen Streckenabschnitte unausgebremst zu überstehen. Für mich war ohnehin das „halbwegs seriös“ durchkommen die Devise, denn es war sehr warm und lange Nächte in Amsterdam mimimi…., also kam mir das ruhigere Anfangstempo auch recht gelegen. Nach ein paar Kurven offenbahrte sich dann auch das Geheimnis von Venlo. Es ist die mit Abstand krasseste Laufparty, die ich bisher erlebt habe! Natürlich ist der New York Marathon eine eigene Liga, aber für einen „normalen Stadtlauf“ ist der Venloop das Maß aller Dinge und so etwas habe ich noch nicht gesehen.
Das Lauffeuer und ein Dauergrinsen wurden bei mir gleich auf dem ersten Stück entfacht, daß wir durch die Innenstadt von Venlo liefen. Die Strecke war relativ schmal zusammengequetscht, so daß maximal drei bis vier Läufer nebeneinander laufen konnten und so ging es durch einen wahren Partytunnel. Jeder Zentimeter bis zu den Häuserwänden war mit jubelnden Menschen überfüllt, die Straßen geschmückt und mit Luftballons und Bannern überspannt die die Läufer grüßten. Dazu hatte jeder soundmäßig alles an den Start gebracht was zu finden war und so gesellte sich zum optischen Stimmungsfeuerwerk noch ein Gemisch aus Gejubel und allerlei Beats. Wahrscheinlich kann man sich das am besten Vorstellen, wenn man es mit einer Apres Ski Party in Ischl oder anderen Skiorten vergleicht. Man stelle sich einfach vor, wenn mitten in diesen Apres Ski Partymenschenmassen eine kleine Bahn abgesperrt ist, durch die man als Läufer hindurchflitzt. Venlo, Ihr seid die Krassesten!
Weiter führte die Strecke dann durch die Nebenstraßen und kleineren Außenbezirke von Venlo, wo wieder JEDER vor seinem Haus stand und feierte. Die komplette Familie nebst Freunden war typischer Weise mit Bierchen, Gartenstühlen oder Stehtischen und einer fetten Anlage oder Band am Straßenrand oder im Vorgarten am Feiern. Der absolute Wahnsinn. Die einzelnen Straßenzüge überboten sich mit Partystimmung und Dekoration und hatten oft auch eigene Begrüßungsbanner aufgehangen, wo die komplette Anwohnerschaft des Straßenzuges die Läufer grüßte.
Die Strecke ist schnell und macht absolut Spaß, wenn man die kleinen Brückeneinlagen gut übersteht. Ich hatte im letzten Drittel ein wenig zu Knabbern und musste meinen Tribut an die Tage und Nächte in Amsterdam leisten, aber die Welle der Begeisterung trug mich immer weiter in Richtung Ziel. Mit einer Zeit von 1:50:02 muss man sich ja trotzdem nicht verstecken. Und ehrlich gesagt, ist der Venloop auch zu schade, um mit Vollgas und mit Tunnelblick über die Strecke zu ballern. Denn Venloop ist Laufliebe pur und ich habe mich jetzt auch mit dem Venloop-Virus infiziert.
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Die Organisation ist perfekt, die Stimmung einmalig und Preis wirklich fair. Für den Halbmarathon mit Medaillengravur, Postversand der Unterlagen und Charity-Spenden habe ich 35€ bezahlt. Und was mich ein paar Tage nach dem Rennen auch noch einmal positiv überrascht hat? Sonst wird ja gerade bei den Fotos nochmal kräftig abkassiert. Man bekommt beim Venlopp seine Fotos von der Strecke und auch Videomaterial von der Strecke kostenlos!
Venlo und der Venloop haben verursachen also ganz zu Recht diese große Begeisterung und bestimmt werde ich in meinem Läuferleben noch öfters nach Venlo zurückkehren, um meine Laufbegeisterung mit dieser Atmosphäre aufzutanken!
Ganz große Kudos an das Orgateam und vor allem an die Zuschauer an der Strecke!
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