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Marathon Betrug: Wie Läufer bei Laufwettbewerben betrügen und warum sie zum Betrüger werden

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Wie Hobbyläufer bei Marathons und anderen Laufwettbewerben betrügen

Der Otto-Normalbürger kann sich wahrscheinlich nicht vorstellen, bei einem Marathon mitzulaufen. Entweder er hält Marathonläufer für verrückt oder er bewundert insgeheim alle, die es wagen und über Monate hart dafür trainiert haben. Manche Zeitgenossen rühmen sich aber, schnelle Marathons gelaufen zu haben, ohne dafür trainiert gewesen zu sein oder sich rechtmäßig für einen Start qualifiziert zu haben. Einige Hobbyläufer wollen die Marathons sogar gewonnen haben. Der fragwürdige Ruhm eines Marathon-Podiumplatzes oder einer neuen Marathon-Bestzeit scheint manchem sogar den Betrug wert zu sein.

Was bewegt Menschen, bei einem Halbmarathon oder Marathon mitzulaufen – und andere Läufer um den Sieg oder deren rechtmäßige Platzierung zu betrügen? Immerhin ist die Zahl derer, die es versucht haben, inzwischen rasant angestiegen. Daher müssen potenzielle Marathon-Betrüger längst nicht nur mit Ermittlungen der Veranstalter, sondern auch eines privaten Lauf-Ermittlers rechnen, der solchen Betrügern auf die Schliche kommt. Manche der Betrugsfälle sind so dreist, dass sie Pressemeldungen in aller Welt verursachen. Oder sie werden sogar von Prominenten begangen.

Zunächst stellen die Medien oder die Läufer selbst, sich bei Instagram und Co., als Siegertypen eines Marathon-Events dar – und dann sorgt der amerikanische Marathon-Spezialist Derek Murphy mit seinen Ermittlungen dafür, dass dem vermeintlichen Marathon-Star der erschummelte Sieg aberkannt wird. Der Betrüger wird außerdem nachträglich disqualifiziert und teilweise auch für weitere Laufveranstaltungen gesperrt. Oft ist auch das wieder umfangreiche Medienberichte wert. Gefallene Helden sind eben auch interessant. Und daher ist der Marathonbetrug eben auch medial ein Spiel mit dem Feuer. Denn wer möchte schon bei der Google-Suche nach seinem Namen mit einem Marathonbetrug ganz oben erscheinen?

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Warum wird beim Marathon betrogen?

Warum beispielsweise Food-Bloggerin Jane Seo, die als Zweite beim Halbmarathon in Fort Lauderdale eingelaufen war, betrogen hat, ist eine gute Frage. Sie leugnete den Betrug noch, als er längst erwiesen war. Geltungssucht dürfte eines der Motive sein, die Menschen wie Jane Seo zum Verhängnis werden. Seo hatte eine Abkürzung genommen und ließ sich im Internet als Zweitplatzierte feiern. Doch der Ruhm kehrte sich bald ins Gegenteil um. Sie wurde zwar entlarvt, vertuschte und leugnete jedoch alles. Derek Murphy machte sich an die Arbeit und erkannte den Betrug. Es war im Übrigen nicht der erste Marathonbetrug der Jane Seo. Zum Verhängnis wurde ihr unter anderem das Zielphoto, bei dem man sehr gut ihr Sportuhr erkennen kann, die aber eben sehr fragwürdige Zahlen anzeigt.

Vermeintliche und echte Helden werden im Internet gefeiert. Sich aus der Masse der Marathonläufer zu erheben, scheint manchem jeden Betrug wert zu sein. Wer solchen Menschen keinen Betrug zutraut oder den Betrugsvorwurf für eine Verschwörung hält, feiert diese Menschen auch nach der Enthüllung eines erschlichenen Sieges. Zudem gibt es viele, die Marathonberichte unkritisch lesen. Deshalb bin ich übrigens auch absolut kein Freund von virtuellen Rennen. Denn dort ist es schon fast die Regel, daß oben in den Bestenlisten Betrüger zu finden sind. Und teilweise sind die Betrugsversuche so offensichtlich, weil sie aus Versehen neue deutsche oder sogar Weltrekorde gelaufen sind. Viele Anbieter solcher virtuellen Rennen und Challenges scheint das aber nicht weiter zu stören. Mancher kommt auch nie dahinter, dass ein behaupteter Marathon-Sieger in Wahrheit ein Betrüger ist. Das Motiv zu betrügen, ist allerdings nicht immer Geltungssucht. Manchmal ist es auch Selbstüberschätzung oder der Wunsch sich unbedingt für ein bestimmtes Rennen zu qualifizieren. In den seltensten Fällen handelt es sich aber um Versehen.

Jemand meldet sich beispielsweise bei einem Marathon an in dem Glauben, er sei gut vorbereitet. Er setzt sich unter entsprechenden Leistungsdruck und erzählt Anderen von seinen sportlichen Zielen und den neuen Bestzeiten, die er knacken will. Läuft der Marathon nun doch nicht wie geplant und der Läuer bricht auf der Marathonstrecke leistungsmäßig ein, so möchte er wahrscheinlich nicht das Gesicht verlieren, indem er erschöpft aufgibt oder eben mit der echten, deutlich langsameren Zeit ins Ziel kommt. Und so lassen sich die Verzweifelten manchmal etwas einfallen, sofern der Betrug nicht ohnehin schon von Anfang an geplant war. Unabhängig von Geschlecht, Alter oder gesellschaftlichem Status beweisen sie allen ihren vermeintlichen Leistungswillen, ihren Kampfgeist und ihre Disziplin, indem sie den Zieleinlauf auf betrügerische Weise erreichen. Sie sehen das vermutlich als Nothilfe an, nicht als Betrug. Männer sind leichter durch ihr vermeintlich leistungsstarkes Ego zum Marathon-Betrug zu verleiten. Frauen tendieren eher dazu, sich damit Internet-Ruhm verschaffen zu wollen. Die Kubanerin Rosi Ruiz war ein Beispiel für die Sucht nach Ruhm. 

Beim Boston Marathon 1980 wurde Rosi Ruiz als Siegerin gefeiert. Nicht nur das: Sie war augenscheinlich auch die drittschnellste Zeit gelaufen, die je bei einem Marathon gemessen wurde. Ruiz nahm dann im Ziel die Huldigungen geneigten Hauptes entgegen. Einen ähnlichen Sieg hatte sie bereits beim New York Marathon gefeiert. Doch Ruiz war tatsächlich erst kurz vor dem Ziel auf die Strecke gegangen. Zu ihrer Entschuldigung sei angemerkt: Beide Male war ihr nicht bewusst, daß sie vor allen anderen durchs Ziel kommen würde. Doch als sie dafür gefeiert wurde, entdeckte sie, wie leicht man betrügen kann. Kennern fiel sofort auf, dass Ruiz nicht athletisch genug für einen Marathon wirkte. Sie schien zudem nicht angemessen erschöpft zu sein und hatte kaum geschwitzt. Folglich lag es nah, dass irgendetwas faul sein musste. 

Der Beweis für Ruiz Betrug wurde schließlich durch eine New Yorker Fotografin nachgereicht. Diese hatte Ruiz in der U-Bahn getroffen, als sie angeblich beim New York Marathon unterwegs war. In bitterer Armut aufgewachsen, hatte Rosi Ruiz bald entdeckt, wie leicht sie durch erschlichene sportliche Erfolge zu Ansehen und Geld kommen konnte. Zeit ihres Lebens folgte sie ihrem kriminellen Gen. Hier war möglicherweise Armut das auslösende Motiv, nach Anerkennung, Geld und Ruhm zu streben. Kriminelle Neigungen entwickelte Ruiz aber auch in anderer Hinsicht. Beim Kokainhandel oder anderen Delikten war das Motiv schlichtweg die Gier nach Geld.

Dumm gelaufen war auch der britische Sänger James Cottriall, der in diesem Jahr lautstark ankündigte, einen Marathon in unter 3 Stunden laufen zu wollen. Bei Kilometer 30 war er dann aber eher mit einem Tempo unterwegs, daß ihn in Richtung einer Zielzeit von 3:10-3:15h gebracht hätte, was zwar über drei Stunden, aber eine immer noch äußerst respektable Leistung gewesen wäre. Aber er entschied sich, den Kurs auf einer langen Gerade, die man erst in die eine und dann in die andere Richtung läuft, abzukürzen. Blöder Weise erreichte er dadurch eine Weltrekordzeit von 9 Minuten für diese 5km. Nach dem Rennen gab er dann noch fleißig Interviews, rühmte sich, einen österreichischen Arbeitsminister auf der Strecke überholt zu haben und er nutzte die Aufmerksamkeit, um sein neues Album zu promoten. Natürlich blieb auch dieser Betrug nicht lange unentdeckt.

Übrigens sollte man auch bei Wetten auf Marathonläufer vorsichtig sein. Genau so wie beim Glücksspiel tummeln sich nämlich auch dort schwarze Schafe, die durch Manipulation oder sogar Betrug zum Sieg kommen wollen. Daher sollte man lieber auf gestestete Wettanbieter wie diese von dieser Liste https://www.betrug.co/beste-wettanbieter/ zurückgreifen, um auf Nummer sicher zu gehen!

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Wie wird beim Marathon betrogen?

Beim Marathon wird auf jede nur erdenkliche Art betrogen. Der aufgeflogene Betrug wird oft als Versehen, Irrtum oder Verkettung unglücklicher Umstände dargestellt. Doch oft erweist sich, dass eher kriminelle Energien und strategische Planung hinter erschlichenen Marathon-Siegen stecken. Wenn jemand am Start- und Zielpunkt persönlich anwesend ist, aber den Rest der Strecke durch jemand anderen laufen lässt, dann ist der Betrug offensichtlich kein Versehen. Wenn Vater und Sohn sich beim Laufen abwechseln, damit der Vater die Strecke in Rekordzeit schafft, ist das ebenso wenig der Fall. Die Umgehung oder taktische Auslösung der Erfassungssysteme, die per Chip in der Startnummer oder am Laufschuh Daten sammeln, erfordert strategisches Vorgehen und entsprechendes Wissen. Wer sich so viel Mühe macht, hat kriminelle Energie.

In einigen Fällen ist es aber wirklich Unwissenheit und Naivität. Selbst habe ich schon öfters erlebt, wie Läufer, die krank, verletzt oder anderweitig verhindert sind, einfach die eigene Startnummer an Jemand anderes geben, damit der Startplatz nicht verfällt. Doch ohne eine ordentliche Ummeldung bedeutet das aber auch, daß nun jemand anderes in den Bestenlisten der Geschlechter, Altersklassen etc. auftaucht, der dort garnicht hingehört. Darum sollte man seinen Startplatz nicht weitergeben.

Manchmal manipulieren sogar Rennleiter die Ergebnisse. So geschehen in Frankreich. Sieben Läufer, die noch nie einen Marathon gelaufen waren, kamen mit auffallenden Zeitmessungen ins Ziel. Normalerweise hätten sie sich mit diesen Zeilzeiten für einen Startplatz beim Boston-Marathon qualifiziert, der extrem schwer zu ergattern ist. Dumm war nur, dass man dem Rennleiter nachweisen konnte, dass er die Ergebnislisten wegen eines schuldigen Gefallens gefälscht hatte. Die Läufer hatten nie am Wettbewerb teilgenommen. Folgende Tricks wurden bei Marathon-Betrügereien schon angewendet:

  • Läufer waren am Start und am Ziel anwesend, nehmen aber Abkürzungen
  • Läufer waren am Start und am Ziel anwesend, fuhren aber mit der Bahn, einem Bus, Fahrrad oder einem Motorrad bis in Ziel-Nähe
  • Läufer waren am Start und am Ziel anwesend, ließen aber andere das Gros der Strecke für sich laufen
  • Läufer gehen erst in Ziel-Nähe auf die Strecke
  • Ein Bruder oder Zwilling tritt am Start an. Er läuft los, der andere kommt später mit Bestzeit ins Ziel gelaufen
  • Vater und Sohn wechseln Startnummer und Chip unterwegs mehrfach aus, damit der Vater die Strecke schneller schafft
  • Läufer suchen nach der kürzesten Strecke zwischen zwei unterschiedlichen Messpunkten. Sie schlendern beispielsweise von Messpunkt 18 querfeldein zu Messpunkt 32 und umgehen diverse Kilometer Strecke.

Kreativität ist bei vielen Betrugsversuchen zu finden – auch was die Ausreden angeht. Die Liechtensteinerin Kerstin Metzler-Mennenga erlief sich beim Berlin-Marathon 2007 den Landesrekord. Sie hätte damit sogar die Olympia-Norm erreicht. Tatsächlich war aber ein Mann die meiste Zeit für sie gelaufen – angeblich für wissenschaftliche Studienzwecke. Dumm war nur, dass der Ersatzmann neben seinem eigenen auch ihren Chip am Körper getragen hatte – und das fiel Derek Murphy auf. Metzler-Mennenga gab schließlich zu, dass sie mit dieser Masche schon bei Marathon-Events in Hamburg anno 2007 sowie in Frankfurt anno 2006 Laufrekorde aufgestellt hatte. Der einzige echte Rekord der Dame ist der, den sie selbst im Halbmarathon im Rückwärtslaufen erzielt hat. 

Neben angeblichen wissenschaftlichen Studien wurden falsche oder verwirrende Streckenführungen, plötzliche Gedächtnisstörungen oder ein versehentliches Übersehen von Zwischenstationen als Grund für eine Abkürzung angeführt. Manche Betrüger gehen professionell vor, indem sie GPS-Daten manipulieren. Viele Marathon-BetrügerInnen leugnen ihren Betrug zeitlebens. Noch während ein Marathon-Schummel aufgedeckt wird, melden manche Leute sich bereits zum nächsten Marathon an. Betrug kann zuweilen ebenso süchtig machen wie das Laufen auf der Langstrecke.

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Woran kann man einen Marathon-Betrug erkennen und wie wird er aufgedeckt?

Dass Marathon-Betrügereien heutzutage leichter aufgedeckt werden, ist akribischen Nachforschungen und modernen technischen Mitteln zu verdanken. Tracking-Chips, mit Elektroden und Sensoren ausgestattete Laufmatten an allen Zwischenstationen, aufmerksame Zwischenposten, sowie Video- Photo- und Drohnenüberwachung machen es Betrügern deutlich schwerer. Zudem startet heute kaum noch ein Läufer ohne Laufuhr, die dann nicht nur die Distanz, sondern auch Herzfrequenz, Schrittfrequenz und andere Daten, die später von analyisiert werden können. Doch die Trickkiste der Marathon-Betrüger reicht längst über solche Mittel hinweg. Ohne die Detektivarbeit aufmerksamer Streckenposten, ohne Begleitradfahrer oder einen privaten Marathon-Detektiv, wie Derek Murphy, der sich Daten und Kamera-Aufnahmen genauer ansieht, würden viele Betrüger gar nicht entdeckt werden. 

Hauptberuflich ist Derek Murphy Business Analyst. Er betrachtet es als seine persönliche Herausforderung, Marathon-Betrüger mit seinem Blog zur Strecke zu bringen. Die Dreistigkeit der Betrüger geht über seine Hutschnur. Daher opfert Murphy viele Stunden seiner Freizeit. Um immer öfter und immer dreister versuchtem Laufbetrug auf die Schliche zu kommen, musste der Amerikaner geradezu detektivische Fähigkeiten entwickeln. Er wertet die GPS-Daten von Laufuhren aus. Er betrachtet zahllose Marathonphotos mit der Lupe, um Vater und Sohn anhand unterschiedlicher Uhren und Stirnbandfarben als Betrüger zu entlarven. 

Derek Murphy weist anhand von unwahrscheinlichen Bestzeiten nach, dass diese unmöglich von einer untrainierten Läuferin oder einem Sechzigjährigen erzielt worden sein können. Technische Probleme bei der Erfassung der GPS-Daten sind jedenfalls nur selten die Ursache dafür, dass sich ein vermeintlicher Betrug als ungerechtfertigter Vorwurf erweist. Die meisten Marathon-Betrüger sind tatsächlich welche. Die Neigung zu Abkürzungen findet sich gerne bei Schleifen- oder Rundkursen umgesetzt – mit zunehmender Tendenz. Es geht manchem dabei nur um den Erhalt einer Urkunde und der Medaille. Anderen geht es beim Betrug aber auch um Bestzeiten, Sponsorengelder oder Qualifikationen für bestimmte Marathon-Wettbewerbe.

Manchmal geht es wohl auch um die erfolgreiche Eigenwerbung und Promotion in eigener Sache. Der britische Musiker James Cottriall bewältigte den „Vienna City Marathon“ mit einer Bestzeit von 2:56:46 Stunden. Dummerweise las Derek Murphy dessen Online-Kommentare von vor dem Rennen. Dort kündigte Cottriall an, dass er den Vienna Marathon ganz entspannt unter drei Stunden laufen würde. Murphy wies nach, dass Cottriall mehrere Kilometer Strecke „eingespart“ hatte, um seine angekündigte Bestzeit laufen zu können. Es war kein Zufall, dass James Cottriall zeitgleich sein neues Album promoten wollte. Heutzutage darf er bei TV-Shows wie „Masked Singer“ auftreten.

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Wer ist der „Marathon Investigator“? 

Der amerikanische Business Analyst Derek Murphy betreibt die Betrüger-Jagd seit nunmehr sechs Jahren. Er betreibt inzwischen das bekannte Onlineportal marathoninvestigation.com, um Laufbetrügern auf die Spur zu kommen. Murphy macht die nachgewiesenen Marathon-Betrugsfälle öffentlich. Das hindert allerdings Niemanden, es erneut zu versuchen. Ein erschlichener Sieg bleibt im Internet für immer verewigt. Die aufgeflogenen Betrugsversuche aber auch. 

Murphy wertet Daten aller großen Marathons aus, bei denen es um Qualifikationen, Bestzeiten oder Sponsorengelder geht. Das ergibt nicht gerade wenige Sport-Events, die er begutachten muss. Auf Murphys Webseite finden sich die Mugshots, also Verbrecherphotos, aller überführten Marathon-Missetäter und Betrügerinnen. Murphy beschreibt den Betrug detailliert. Er berichtet auch, mit welchem Beweisen er die Marathonläufer als Betrüger überführen konnte. Am interessantesten sind die auf seinem Blog dokumentierten Ausreden oder Gegendarstellungen der Ertappten. Keine Ausrede, keine Lüge und keine dümmliche Erklärung für ein behauptetes Versehen ist durchsichtig genug, um sie nicht anzuwenden. 

Murphy begann seine Tätigkeit als privater Marathon-Ermittler beim Boston Marathon von 2015. Es machte ihn wütend, dass Betrüger denen, die jahrelang hart trainiert hatten, die Qualifikationschancen raubten. Davon erfahren hatte er über eine Zeitung, die einen Betrugsversuch öffentlich machte. Murphy fragte sich damals, ob dieser Betrugsversuch ein Ausnahmefall sei – oder gar die Regel. Derek Murphy hat selbst an die zehn Marathons mitgemacht, er läuft in seiner Freizeit selbst gerne. Seine persönlichen Bestzeiten liegen allerdings im Normalbereich seiner Altersgruppe. Manchmal läuft er in neuerer Zeit Ultramarathons und 24-Stunden-Marathons mit. 

Der Vater von zwei Kindern weiß daher, was hartes Training bedeutet. Er liebt Marathons. Genau deswegen kann er es auch nicht stehenlassen, dass ehrliche Anstrengung sich immer dreister mit dem Betrug unehrlicher Mitläufer konfrontiert sieht. Nachts hockt Murphy daher am PC. Er wertet Daten und Bilder aus, um den Betrügern den Glanz vom Ruhm zu nehmen. Daten auszuwerten, ist nicht nur sein Beruf, sondern seine zweite Natur. Mittlerweile kann Murphy auch auf Tipps und Hinweise aus der weltweiten Marathon-Szene hoffen. Seine Arbeit wird von anderen Sportlern und Marathon-Läufern wertgeschätzt und durch Spenden unterstützt. Ob sie präventiv wirksam ist, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Klar ist aber, dass die Ermittlungen von Murphy sichtbar machen: Solange solche Betrügereien nicht durch verbesserte Kontrollen unmöglich gemacht werden, werden sie stattfinden. Seine Arbeit gibt also auch wertvolle Hinweise auf sinnvolle Gegenmaßnahmen und Kontrollen. 

Wenn Athleten oder deren Freunde ihm von Verdachtsmomenten berichten, sieht er es als seine Verpflichtung an, dem Verdacht nachzugehen. Seine private Ermittlertätigkeit ist längst kein Hobby mehr, sondern eine Leidenschaft. Murphy hat von Berufs wegen das Zeug dazu, solchen Fällen nachzugehen. Aus seiner Sicht muss es Jemand tun – warum also nicht er.
Schon 1904 versuchte übrigens erstmals Jemand, bei einem Marathon zu betrügen. Der vermeintliche Sieger des Olympics-Marathons in St. Louis anno legte 1904 eine beträchtliche Strecke mit dem Auto zurück. Die restliche Strecke strengte ihn dermaßen an, dass er im Ziel zusammenklappte. Gerade deswegen wirkte er glaubwürdig. Er war es aber nicht. Immerhin wurde dieser Vorfall aber zum ersten Präzedenzfall für weitere Marathon-Betrugsversuche. 

Bis heute und trotz aller Kontrollen ist es nicht gelungen, solche Betrugsversuche auszumerzen. Solange das der Fall ist, wartet reichlich Arbeit auf Derek Murphy. Er analysiert Zwischenzeiten, wertet Fotos und Kamera-Aufnahmen aus oder vergleicht Daten der Sieger von anderen Laufveranstaltungen. Murphy wertet die Körperdaten aus Sportuhren aus, liest die Kommentare von Marathon-Gewinnern im Netz oder entwickelt gegebenenfalls sogar eigene Algorithmen, um dem Betrug auf die Spur zu kommen. Der Arbeitsanfall hat dazu geführt, dass Murphy inzwischen ein Team von drei Mitarbeitern um sich schart. Bisher konnten 47 Läufern vom Murphy-Team Betrug nachgewiesen werden. 29 von ihnen ließen andere für sich laufen. 10 Marathon-Teilnehmer nahmen eine Abkürzung, die sich rechnete. Vier Läufer haben GPS-Daten gefälscht oder manipuliert. Vier weitere bezahlten einen Läufer, um ohne Anstrengung zum Sieg zu kommen. 

In manchen Fällen ist Murphys Team schon nach wenigen Stunden fündig geworden. Manchmal dauert der Nachweis eines Marathon-Betrugs aber auch Wochen. In dieser Zeit genießen die Marathon-Betrüger ihren zweifelhaften Ruhm. Sie treten in Talkshows auf, geben Interviews und werden im Netz als Helden dargestellt. Murphy konfrontiert die Betrüger nach seinen Ermittlungen öffentlich. Er räumt ihnen aber auch die Chance auf eine schlüssige Erklärung oder Gegendarstellung ein. Manche der Erwischten sind demütig. Sie entschuldigen sich. Andere reagieren aggressiv und leugnen alles. Manche bedrohen ihn sogar mit einer Klage. Das kann in den USA sehr teuer werden – es sei denn, die Beweise sind wasserdicht. Dann wird am Ende der Betrüger vor Gericht zur Rechenschaft gezogen. 

Murphy meldet seine Ermittlungsergebnisse an die Rennleitung des Marathons weiter. Die Betrüger können dadurch auch nachträglich disqualifiziert werden. Dadurch kommt der eigentliche Gewinner zu seinem Recht. Ein Marathon-Betrüger konnte die Schmach nicht ertragen, von Murphy geoutet zu werden. Der siebzigjährige Frank Meza, ein pensionierter Physiker, nahm sich schließlich das Leben. Meza hatte 2019 beim Los Angeles Marathon in seiner Altersklasse gewonnen, aber nachweislich eine Abkürzung genommen. Er sprang von einer Brücke in den Tod. Zuvor hatte er vehement geleugnet, bei diversen Marathons geschummelt zu haben. Derek Murphy hatte Mezas Los Angeles-Betrug allerdings zweifelsfrei nachweisen können. Daher hat ihn der Selbstmord des Marathon-Betrügers Meza auch nicht daran gehindert, weiterzumachen. Murphy ist sich allerdings der immensen Verantwortung bewusst, die auf seinen Schultern liegt. Nachlässigkeiten darf sich ein selbst erklärter Marathon-Detektiv nicht erlauben. 

Hin und wieder wird Murphy auch herangezogen, um einen vermuteten Betrugsversuch zu widerlegen. So geschah es beim 18 Jahre alten Ryan Lee. Der junge Mann war den London Marathon des Jahres 2016 mitgelaufen. Er hatte mit sehr guter Zeit abgeschlossen. Ihm wurde daher Betrug unterstellt. Doch der Fall schlug hohe Wellen: Eine Online-Kampagne rief dazu auf, irgendwie seine Unschuld zu beweisen. Derek Murphy wies nach, dass in diesem Fall kein Marathon-Betrug vorlag. Er ermittelte, dass nur die Startzeit des jungen Mannes falsch eingetragen worden war. Ryan Lee war ein echter Marathon-Sieger.

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