Was ist eigentlich die Faszination am Trailrunning und warum steigen auch immer mehr Straßenläufer in die Trailschuhe? Das fragte die Redaktion des ISPO Magazins vor einiger Zeit viele Laufblogger in Deutschland und die Ergebnisse präsentiere ich heute hier.
Was macht für Dich den besonderen Reiz des Trailrunnings aus im Vergleich zum Laufen auf der Straße oder in der Stadt? Sind Trailläufer die kompletteren Läufer?
Mich begeistern am Trailrunning vor allem die Abwechslung und die Naurnähe. Wenn ich morgens am Havelufer entlang durch den Wald laufe und der Natur beim Aufwachen zusehen und zuhören kann, erdet und entspannt mich das für den restlichen Tag und ich entwickle ein gewisse Resistenz gegen die Großstadthektik Berlins und kann mir diese Gelassenheit meist für den gesamten Tag bewahren.
Ich schätze auch diese komplette Gestaltungsfreiheit, denn letzlich bin ich im Trailrunning auch noch freier in meiner Streckenwahl und kann, wenn ich es möchte auch meinen ganz eigenen Weg entwickeln und muss nicht den vorgegebenen Wegen folgen. Durch die unterschiedlichen Bodenbeläge und Geländestrukturen wird ein Traillauf auch von den Bewegungsmustern deutlich abwechslungsreicher.
Diese Konzentration auf den Weg und wohin man den nächsten Schritt setzt, hilft mir ebenfalls beim abschalten, weil kein Raum bleibt, über andere Dinge zu grübeln.
Aber auch aus trainingsphysiologischer Sicht hilft mir als Straßenläufer das Trailrunning sehr. Die Stützmuskulatur und Stabilität wird durch das unebene Gelände trainiert und ein Berganlauf fordert auch die großen Muskelgruppen deutlich mehr und erzeugt einen bemerkenswerten Trainingseffekt. Außerdem kann der Wechsel von flachen Streckenabschnitten und steileren Bergansprints kombiniert werden zu einem Intervall- oder Tabatatraining. Gerade, wenn man das klassische Stabitraining nicht favorisiert, kann Trailrunning bis zu einem bestimmten Niveau auch das Stabitraining ersetzen oder zumindest ergänzen.
Aber auch der Straßenlauf kann mich begeistern. Gerade das finden des eigenen Rhythmus und dann das monotone, fast schon maschinenartige Laufen, bei dem man eigentlich schon unterbewusst läuft, ist besonders bei langen Läufen ein sehr entspannender Zustand, in dem ich sehr gut nachdenken kann und oft zu Lösungen und Ideen komme.
Diesen Zustand erreicht man natürlich leichter, weil man auf Asphalt kaum auf den Untergrund achten muss und quasi wie im Autopilot vor sich hin gleitet.
Die neuen urbanen Läufe, haben inzwischen aber auch Aspekte des Trailrunnings in die Städte übernommen. So kann man bei schnellen Trainingsläufen in der Stadt auch Anstiege, enge Kurven, Treppen, Bänke oder sonstige Hinternisse in seinen Laufparcours einbauen und dadurch mehr Action und Abwechlsung in einen Straßenlauf bringen. Ein kompletter Läufer wäre für mich jemand, der so aufgestellt ist, daß er mit jedem Terrain und Laufformat gut zurecht kommt.
Welche drei Tipps würdest Du Trailrunning-Einsteigern geben?
Zunächst erfordert Trailrunning ein besonderes Konditionslevel, wenn man wirklich laufen und nicht nur Schnellwandern will. Während ich 10 Kilometer auf der Straße mit Leichtigkeit jederzeit absolviere, können mich 10 Kilometer im Gelände auch schon an meine Grenzen bringen – wegen der zu überwindenden Höhenmeter und der anderen Druck- und Sauerstoffverhältnisse.
Auch die Muskulatur wird wie schon beschrieben besonders gefordert und bei untrainierten können Stürze und Verletzungen die Folge sein, wenn der Stützapparat noch nicht aufgebaut wurde. Vom Couchpotatoe zum Bergläufer sollte nur über den Umweg des Trainings in sanfterem Gelände, wie ebenen Waldwegen erfolgen, bevor man sich in schwieriges Terrain wagt. Wenn man die Möglichkeit hat, an einem Trailrunning Workshop teilzunehmen, hilft das dabei die besondere Technik für steile Passagen zu erlernen und sich die Tricks der Profis abzuschauen. Häufig kann man dort auch Equipment wie Trailrunning-Schuhe, Stöcke und Laufrucksäcke testen.
Das Trailrunning erfordert auch besonderes Equipment und insbesondere die Laufschuhe müssen für das Gelände ausgelegt sein. Dazu gehören eine Sohle mit ordentlichem Grip, die auch bei Nässe, Schlamm auf feuchten Steinen oder rutschigem Holz halt bieten – und zwar nicht nur im vorderen und mittleren Bereich für die Berganläufe, sondern auch im Hacken für die Abstiege. Außerdem muss ein guter Halt im Schuh gegeben sein, um ein Umknicken zu vermeiden und der Bereich der Zehen und Fußkanten sollte gegen Stöße an Felsen oder sonstige Hinternisse gesonders gesichert sein.
Ein weiterer Vorteil ist, wenn die Schnürung fixiert oder versteckt werden kann, damit sich wärend des Laufes keine Äste oder Ähnliches in den Schnürsenkel verhaken können und die Schuhe öffnen.
Welcher Trailrun-Lauf oder Wettbewerb ist Dein größtes Erlebnis gewesen – und warum?
Als Flachländer, der in Berlin-Brandenburg beheimatet ist, habe ich leider eine ziemlich eingeschränkte Palette an Wettkampfoptionen in meiner Region. Ich versuche daher bei meiner Reise und Urlaubsplanung besonders vielfältige Regionen auszuwählen, die mir eine breite Palette an Outdoor-Sport ermöglichen und auch schöne Trails bieten. Zum Training war ich schon im Pustertal in den Dolomiten unterwegs, in Brixen und beim Rennsteigmarathon. Ein Highlight wird in diesem Jahr neben dem Trailbloggercamp auch der TransalpineRun RUN2 im September.
Was unterscheidet die Trailrunner-Community von der normalen Lauf-Community – und welche Anforderungen stellt dies an die Industrie und den Handel?
Ich erkenne immer noch überraschend deutlich die unterschiedlichen Stammbäume beider Disziplinen. Während die Straßenläufer tendenziell eher aus der Leichtathletik kommen und klassische Fitness-, Lauf- oder Leichtathletikmarken tragen, kommen die Trailrunner häufig eher aus der Outdoor-Community und pflegen daher eine traditionelle Nähe zu Outdoor-, Wander- oder spezialisierten Trailrunning-Marken.
Daher fällt es den Marken in meiner Wahrnehmung schwer, sich glaubhaft für die jeweils andere, neue Zielgruppe aufzustellen, ohne die eigenen Wurzeln und das bisherige Markenprofil zu demolieren. Möglicher Weise ist das auch ein Grund dafür, warum sich beispielsweise adidas mit der Untermarke Terrex an die Trailrunner wendet oder Columbia mit Montrail.
Gerade im stationären Handel sollten diese Trends noch stärker visualisiert werden. Meiner Meinung nach funktioniert die eine, große Laufschuhwand heute nicht mehr. Der Kunde verlangt auch nicht mehr den einen Laufschuh. Die Ansprüche sind spezifischer geworden und so sollten Wettkampfschuhe, Trailrunningschuhe und die anderen Laufschuhtypen nicht bunt gemischt oder nach Marke sortiert stehen, sondern eine eigene visuell abgegrenzte Heimat im Handel bekommen, damit der Kunde einen guten Überblick über das jeweilige Laufschuhsegment bekommt. Denn ich kaufe meistens mit einer gewissen Anwendungsidee im Hinterkopf ein, also einen schnellen Asphaltschuh für den Berliner Halbmarathon oder einen Trainingsschuh für Gebirgsläufe, aber eben nicht „einen neuen Laufschuh, Hauptsache von Brooks“.
Wo kaufst Du Trailrunning-Ausrüstung? Eher Online oder im Fachhandel? Wie und wo informiert man sich am besten über Produkt-Neuheiten? Wie wichtig ist gerade im Trailrunning eine kompetente Beratung?
Ich kaufe meistens gelegenheitsbasiert. Wenn ich also gerade in der Nähe eines spannenden, stationären Geschäftes bin, schaue ich mir dort natürlich die Neuheiten an und fachsimple mit den Mitarbeitern. Natürlich kann man online bestelle Sachen auch einfach zurückschicken, aber gerade bei Schuhen komme ich mit dem Anfassen, Abtasten und Anprobieren und einem kleinen Laufbandtest viel schneller voran und kann mir Fehlgriffe und lästiges Hin-und-hersenden ersparen.
Bei Bekleidung bin ich etwas online-affiner, weil ein Laufshirt was nicht ganz perfekt sitzt, trotzdem noch gut verwendbar ist, während mir schlechte oder falsche Schuhe komplett den Spaß verderben können oder schlimmstenfalls Verletzungen einbringen können.
Als Laufblogger informiere ich mich aber nicht nur durch den Schaufensterbummel, sondern lese mir Testberichte in anderen Blogs durch oder entdecke Neuheiten bei Instagram oder Facebook bei den Profilen der Sportmarken oder bei anderen Läufern.
Welchen Wunsch hättest Du an den Fachhandel? Und an die Hersteller von Trailrunning-Produkten?
Der Fachhandel muss sich noch stärker vom Warenverteiler zum Equipment-Partner des Vertrauens für den Läufer wandeln. Ich erlebe im Handel noch sehr häufig, daß das Verkaufen im Vordergrund steht und nicht das Beraten. Die modernen Kunden sind clever und haben ein gutes Gespür dafür, ob es gerade die Verkaufsbonuswochen von Marke X im Handel gibt und der Verkäufer deswegen versucht, möglichst viele Paar dieser Marke herauszudrücken oder ob den Händler wirklich der Mensch und seine Bedürfnisse interessieren.
Vielleicht ist es für eine langfristige Kundenbeziehung manchmal sogar besser einen Kunden wegzuschicken, wenn man nicht das passende Produkt hat, als krampfhaft etwas zu verkaufen. Gerade wenn man aktiv laufendes Personal hat, kann man auch Tipps für Training, Wettkämpfe oder Ernährung geben und so das Vertrauensverhältnis zum Kunden stärken. Wenn man als Kunde das Gefühl hat, einen Partner im Händler zu haben, der am Erfolg des Kunden im Laufsport interessiert ist, dann wird der Kunde auch wiederkommen, um sich eben den auch den Rat abzuholen und nicht nur das Produkt. Wenn der Händler seine Aufgabe nur im Bereithalten und Herausgeben von Ware versteht, dann muss man sich nicht wundern, wenn Kunden für ein paar Euro weniger online bestellen. Das Kundenerlebnis ist dann jedenfalls nahezu identisch – also entscheidet der Preis. Die Beratung, die Kundenbeziehung und die Glaubwürdigkeit machen den Unterschied. Und gerade eine persönliche, vertrauensvolle, zwischenmenschliche Beziehung aufzubauen, ist im stationären Handel viel leichter als online.
Welche Trends und Perspektiven siehst Du für das Trailrunning in nächster Zeit? Als Beispiel in puncto Ausrüstung oder Events oder bei der Verbindung von Offline-Community und Online-Community?
Die Hersteller im Trailrunning-Bereich sind auf einem guten Weg und ergreifen die Chance, die sich im Trailrunning-Trend ergibt. Marken wie Salomon mit den Trailrunning-Workshops und The North Face mit der Mountain Athletics App und den Neverstop Events gehen hier vorraus und aktivieren und begeistern die Kunden für das Trailrunning. Zuletzt haben ja auch SportScheck und Keller Sports deutlich mehr in die Community-Arbeit investiert. Ich würde mich freuen, wenn es noch mehr Angebote von Herstellern gibt, Läufer an das Thema heranzuführen – mit Workshops, Testevents und Ähnlichem.
Ein paar Worte zu Dir, dem Laufblogger aus Deutschland
Ich bin Daniel Klarkowski, lebe vor den Toren Berlins, in Potsdam und schreibe bereits seit 2008 den Laufblog Sports-Insider. Meinen Trainingsalltag, Wettkämpfe und Trailrunning-Trips kann man bei Facebook, Instagram und Strava mitverfolgen.
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